maschinenfabrik schürmann
Maschinenfabrik Schürmann 1835 bis 1971
Das Fachwerkgebäude vorne links dient heute als Wohnhaus. Die restliche Fabrik
wurde abgerissen und das Gelände mit Wohnhäusern bebaut.
(Mehr hierüber im Isselhorster Nr. 30 - Juni 1998) und im Folgenden:
von
WILHELM SCHÜRMANN - ISSELHORST
Wie die meisten industriellen Unternehmen, ist auch dieser Betrieb aus sehr
kleinen und bescheidenen Anfängen hervorgegangen und nach und nach zu seiner
heutigen Bedeutung emporgewachsen, Vor kaum einer Jahres-Frist sind 90 Jahre
seit der ersten Gründung des Werkes verflossen.
Den Grundstein legte der Schmiedemeister Heinrich Christoph Riewe aus Isselhorst,
der im Jahre 1835 die Brüggemann'sche Besitzung an der Landstraße nach Brock-
hagen kaufte. Die baufälligen Gebäude wurden abgerissen und im gleichen Jahre
ein neues Wohnhaus nebst einer Werksstätte für Huf- und Wagenschmiede
errichtet. Nach dem Namen des Vorbesitzers Brüggemann erhielt die Werkstatt
im Volksmunde den Namen ,,Brüggenschmied", der sich lange Jahre hindurch
erhalten hat.
Nach dem Tode des Gründers, H. Chr. Riewe, im Jahre 1850 übernahm der älteste
Sohn Heinrich die Werkstatt. Dieser erweiterte die Schmiedewerkstatt und schuf
die ersten Maschinen für die Landwirtschaft.
So wurde u. a. die erste Maschine zum Zerschneiden von Stroh, eine Häckselma-
schine, nach Blankenhagen geliefert, die wohl die erste im hiesigen Bezirk gewesen
sein dürfte.
Nach kurzer Zeit des Schaffens ereilte ihm schon im Jahre 1869 der Tod. Die hinter-
lassene Witwe Riewe Luise, geborene Baumeister, leitete das Unternehmen drei
Jahre selbständig und verheiratete sich dann im Jahre 1871 mit dem Schlosser und
Mechaniker Wilhelm Schürmann. Letzterer verfügte über große praktische Kennt-
nisse und Fertigkeiten, dank seiner vielseitigen Vorbildung in größeren und kleineren
Werken der damaligen noch recht spärlichen Industrie,
Hatte er doch schon mit seinen Brüdern im Knabenalter auf dem elterlichen Hofe
in Isselhorst eine mechanische Werkstätte geschaffen, in der sämtliche Werkzeuge
und Einrichtungen, wie Blasebalg etc., selbst angefertigt waren.
Die Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen wurde von Genannten auf Spitz-
drescher und Göpel erweitert. Nebenher wurden auch Schmiede-, Bau- und
Kunstschlosserarbeiten angefertigt. Die maschinellen Einrichtungen des Betriebes,
in dem anfänglich drei Mann beschäftigt waren, waren sehr geringfügig. Sie
bestanden aus einer selbstverfertigten Bohrmaschine und einer Drehbank, deren
Bauteile zum Teil noch Holz waren. Als Betriebskraft dienten Fußtritt- und Hand-
kurbelschwungrad, die ständig durch mindestens zwei Personen bedient werden
mußten. Nach einiger Zeit wurde dann ein Göpel, mit Ochsen bespannt, als
Antriebskraft lange Jahre hindurch in Betrieb gehalten. Die hauptsächliche
Schwierigkeit in der Herstellung von Maschinen in damaliger Zeit war die
Beschaffung des Rohgusses, was die Veranlassung gab, eine eigene Eisen-
gießerei anzulegen. Im Jahre 1874 sollte dieser Plan vervollkommend werden
und so wurde ein Fachwerkbau zu einer Eisengießerei behördlich angemeldet.
Zum Betriebe des Schmelzofengebläses wurde ein neues Göpelwerk, bestehend
aus einer hölzernen, senkrechten, sogenannten Königsspindel, welche am untern
Ende in einem großen sogenannten Katzenstein lagerte, angelegt.
Die Beschickung des Ofens war ebenso primitiv und wurde mittels einer Leiter
ausgeführt. Erst später wurde der Gichtboden vorgebaut.
Die Erteilung der Genehmigung ließ lange auf sich warten. Zunächst legten die
Anwohner Protest ein mit der Begründung, daß die aussprühenden Funken das
Wachstum der Früchte, sowie das Rasenbleichen unmöglich machten.
Die damalige Ueberwachungsstelle, die Gewerbeinspektion, bereitete dem Unter-
nehmer auch wesentliche Schwierigkeiten in der Entwicklung. Sie ordnete z. B.
an, daß der obere Teil des Schmelzofens wieder abgerissen werden mußte, weil
das hierfür verwandte Material nicht aus feuerfesten Chamottesteinen, sondern
aus halbgebrannten, später bestens bewährten Ziegelsteinen hergestellt war.
Endlich im Jahre 1878 wurde dann die Genehmigung zu einer äußerst primitiven
Eisengießerei erlangt.
Das Eisengießen in damaliger Zeit eine höchst seltene Begebenheit, wurde beim
ersten Guß vom Kirchturm aus mit den Feuerglocken beantwortet, trotzdem man
vorher schon genügend darauf aufmerksam gemacht hatte.
Eine Aenderung in der Betriebsweise erfolgte, als im Jahre 1879 sein Bruder
Heinrich in Kassel es unternahm, ihm eine 8-PS.-Dampf maschine zu bauen, die
dann lange Jahre den Betrieb mit Kraft versorgen sollte. Auch hier hatte man mit
großen Schwierigkeiten zur Erlangung der Konzession von Seiten der Gewerbe-
inspektion zu kämpfen. Erst im Jahre 1884 konnte unter eifriger Mitwirkung des
damals in Brackwede amtierenden Amtmanns die Konzession der Dampfanlage
erlangt werden.
Ein weiteres Beispiel der damaligen bürokratischen Anwendung der Verordnungen
und ein Zeichen dafür, wie wenig Sachkenntnis man der Entwicklung der Industrie
entgegenbrachte, zeigt folgender Fall.' Das Fehlen einer Regenkappe auf dem
Schornstein des neuen stehenden Dampfkessels wurde damit gerügt, daß man
kurzerhand anordnete, einen neuen Kesselboden einzuziehen, weil derselbe ange-
rostet sein müsse. Durch diese Verordnung mußte der Dampfkessel abgebrochen,
zur weitentlegenen Kesselschmiede transportiert, hergerichtet und wieder aufge-
baut werden. Die Auswirkung dieser Verordnung hatte ein längeres Stilliegen des
Betriebes zufolge, abgesehen von der schweren geldlichen Einbuße, die dadurch
verursacht wurde.
Mit der Inbetriebnahme der Eisengießerei wurde die Herstellung von Kochherden
übernommen. Dieses waren große Kochmaschinen kombiniert mit Backofen,
Wasch- u. Futterkessel, die den Bedürfnissen der Landwirtschaft, als Ersatz für
die offenen Herdfeuer, in damaliger Zeit gerecht wurden und sich großer Beliebt-
heit erfreuten. Ferner wurden Wasser- und Jauchepumpen in Gußeisen herge-
stellt Während die gußeisernen Wasserpumpen von den später eingeführten
kupfernen Pumpen verdrängt wurden, konnten sich die gußeisernen Jauchepum-
pen bis auf den heutigen Tag behaupten. Von diesen Pumpen sind nun schon
die ersten über 50 Jahre ununterbrochen in Betrieb, ein Beweis, daß stets auf
Qualität großes Gewicht gelegt wurde. Die Herstellung gußeiserner Fenster reicht
ebenfalls bis in die Gründungszeit der Eisengießerei zurück und wurde die
Fenstermodellsammlung im Laufe der Zeit sehr ausgebaut. Außer zahlreichen
Reparaturarbeiten und Neuanfertigung der verschiedensten Teile hatte der
Inhaber stets ein großes Interesse für den Bau der damals noch recht unvoll-
kommenen Sägemaschinen. So entstanden Horizontalgatter, Kreissägen und
Bandsägen, besonders der schwerwie genden finanziellen Lage der damaligen
Zeit entsprechend konstruiert. Die Ständer der Maschinen wurden aus Eichen-
holz, aber so fest und sicher mit den Maschinenteilen verbunden, daß diese
noch heute voll und ganz ihren Dienst erfüllen.
Unter Mitarbeit der inzwischen herangewachsenen Söhne wurde nun seit ca.
1900 der gesamte Betrieb umgestellt und in allen Teilen wie Dreherei, Hobelei,-
Schlosserei und Eisengießerei, ausgebaut bzw. erweitert, und das Hauptgewicht
der Erzeugnisse auf Holzbearbeitungsmaschinen gelegt.
Nebenher wurde auch die Herstellung von erstklassigen Transmissionsteilen
aufgenommen, von deren Teilen stets ein großes Lager unterhalten wird.
Wie früher so auch heute noch wird immer der größte Wert auf sachgemäße
Konstruktion und erstklassige Ausführung gelegt, wovon die zahlreichen Aus-
zeichnungen der von der Firma beschickten Ausstellungen ein beredtes Zeugnis
ablegen.
Mit der Einführung von technischen Neuerungen wurde niemals gezögert. So
führte die Firma Schürmann als fast eine der ersten Holzbearbeitungsmaschinen-
fabriken der Welt die Kugel-Lagerung bei den mehrtausend Umdrehungen pro
Minute laufenden Getriebeteilen ein. Mit Unterstützung erster Kugellagerfabriken
wurde unter großer Mühe und Ausdauer schließlich eine wirklich brauchbare, den
größten Anforderungen genügende Lagerung gefunden, die dann auf sämtliche
Maschinen der Erzeugung übertragen wurde.
Die Güte und Brauchbarkeit der vielseitig hergestellten Maschinen wie Bandsägen,
Kreissägen, Gattersägen, Saumsägen, Abkürzsägen, Parallelsägen, Abrichtehobel-
maschinen, Dicktenhobelmaschinen, Fräsmaschinen, Langloch -bohrmaschinen,
Schleifmaschinen, Zapfenschneidemaschinen, kombinierte Abricht- und Dickten-
maschinen, kombinierte Kreissägen-Langlochbohr- und Fräsmaschinen, ferner
Spezialmaschinen für den Wagenbau, Herstellungsmaschinen für Holzschuhe,
sowie Sperrholzmaschinen etc. brachten der Firma ein gutes Vertrauen und damit
einen guten Kundenkreis in der Nachbarschaft, im weiten Deutschland und darüber
hinaus in fremden Ländern des Continents.
Das unausgesetzte Bestreben der Söhne des bisherigen im Jahre 1923 verstorbe-
nen Inhabers der Firma, ihre Werkzeugmaschinen an der Spitze der Technik zu
halten und in stetem Fortschreiten das Vollkommenste an Holzbearbeitungsma-
schinen etc. auf den Markt zu bringen, wird, wie der fortdauernd sich erweiternde
Kundenkreis beweist, hoffentlich von vollem Erfolg begleitet sein. Ing. J. Schürmann.
- (Quelle: Handel und Wandel im Amte Brackwede - Verlag für Architektur-, Industrie-
- und Stadt-Werke, Düsseldorf, 1927 )